Translater:
"Aber Deutschland gewährte man doch auch einen Schuldenschnitt!"
Die
populistische griechische Linke gewann im Januar 2015 die
Parlamentswahlen mit dem Versprechen, die von der "Troika"
aufgezwungene Sparpolitik zu beenden.
Um die ihren Wählern angekündigten Wohltaten finanzieren zu
können, verlangte die neue griechische Regierung einen
Schuldenschnitt - auch mit der Begründung, Deutschland wurde
schließlich 1953 auch ein Teil seiner Schulden
erlassen.
Man kann es den Griechen angesichts ihrer schwierigen Lage nicht verdenken, wenn sie solche Forderungen stellen. Aber man sollte doch von den deutschen Politikern und Medien erwarten können, dass sie solche Ansinnen sachlich kommentieren. Dies ist leider oft nicht der Fall. Nur ein Beispiel:
Propaganda
für den Schuldenschnitt im
Staatsfernsehen
In der Plusminus-Sendung der ARD vom 25. 2. 2015 wurde recht
einseitig für einen neuerlichen griechischen Schuldenschnitt
geworben. Dabei wurde nicht ein einziges Mal erwähnt, dass
Griechenland bereits 2011 ein Schuldenschnitt über 107
Milliarden Euro gewährt wurde.
Es wurde nicht erwähnt, wie sehr doch die EU in der
Vergangenheit gerade Griechenland zusätzlich unterstützt
hat (wobei viele Subventionen aufgrund falscher Angaben erschlichen
wurden).
Meines Wissens steht Griechenland mit ca. 170 Milliarden Euro
an bisherigen EU-Hilfen (außerhalb des Schuldenerlasses) weit
oben in der Liste der Nettoempfänger-Staaten.
Deutschland wurden 1953 bei der internationalen Schuldenkonferenz knapp vier Milliarden Dollar erlassen (vorwiegend Reparationszahlungen bezüglich der verlorenen Weltkriege). Die Beweggründe hierfür schienen der Monitorredaktion offenbar nicht erwähnenswert.
Es wurde jedenfalls nicht dran erinnert, dass Deutschland nach dem verlorenen Krieg immer noch zum Teil in Trümmern lag, dass vor allem die Russen unversehrt gebliebene Industrieanlagen als Reparationsleistung demontiert hatten, dass die von Deutschland erzwungenen Gebietsabtretungen etwa einem Gegenwert von 2000 Milliarden Euro entsprachen (nach heutigen Preisen) und dass der Lebensstandard der Deutschen 1953 nur etwa 20 % der heute jammernden Griechen ausmachte.
Das war also eine ganz andere Qualität von Armut und Elend als sie heute die Griechen durchleben. Nebenbei bemerkt: Den Griechen geht es selbst in der Krise noch etwa doppelt so gut wie ihren Nachbarn in Bulgarien, Rumänien usw. (die keinen Schuldenschnitt verlangen).
Auch auf einen weiteren wichtigen Punkt des 1953er Schuldenerlasses wurde nicht eingegangen: Der Westen, allen voran die USA, wollten Deutschland in die Nato einbinden (als Pufferstaat zum Staatsfeind Nr. 1, der UdSSR).
Zu
diesem Zweck musste Deutschland natürlich eine eigene Wehrmacht
aufbauen, die sich Deutschland aber absolut nicht leisten
konnte. Auch deshalb also das Entgegenkommen beim teilweisen
Schuldenerlass.
Für das Militär hat Deutschland von 1956 bei heute grob
geschätzt 2000 Milliarden Euro ausgegeben (nach heutigen
Preisen). Der deutsche 4-Milliarden-"Schuldenschnitt" 1953 stand also
im Zusammenhang mit gigantischen Gegenleistungen.
Wäre Deutschland damals neutral geblieben und hätte es keine neue Wehrmacht aufgebaut, wäre es vermutlich schon in den 1950er Jahren zu einer Wiedervereinigung gekommen (Stalin hatte das angeboten). Aber das nur am Rande.
Griechenland
scheiterte in den letzten fünf Jahren nicht an der
"auferzwungenen" Sparpolitik oder der Verweigerung eines
neuerlichen Schuldenschnittes, Die
Hetzkampagne linker Demagogen, die die Troika und die
Gläubiger für das griechische Desaster
verantwortich machen, ist mehr als
verantwortungslos.
Griechenland scheiterte, weil es die geforderten Reformen
gar nicht oder nur halbherzig anging, weil es immer noch
seine Reichen steuerlich verhätschelt, weil das
Staatswesen immer noch nicht funktioniert und die etablierte
Wirtschaft einen freien Wettbewerb
torpediert.
"Aber
man könnte doch zumindest die Rückzahlung auf 100 Jahre
ausdehnen..."
Ja,
das könnte man natürlich. Aber man sollte sich im Klaren
darüber sein, wohin solche Überlegungen führen -
nämlich meistens zu vertuschten, schleichenden
Schuldenschnitten.
Denn dass es irgendwann in den nächsten 100 Jahren zu einer Hyperinflation kommt, ist gar nicht einmal so unwahrscheinlich. In einem solchen Fall hätte sich der griechische Schuldenberg in Luft aufgelöst. 1923 konnte man für 100 Milliarden deutsche Mark gerade einmal ein Brot kaufen.
Aber auch schon die allgemeinübliche Inflation lassen 100jährige Staatsanleihen als Irrsinn erscheinen. Vor allem, wenn die Zinshöhe nicht an die Inflationsentwicklung gekoppelt wird. Aber selbst eine solche Absicherung will wenig heißen. Denn wenn irgendwann in den nächsten 100 Jahren eine amtierende griechische Regierung sich für einen Staatsbankrott entscheidet, ist das ganze Geld futsch.
"Aber
Griechenland kann doch gar nicht mehr seine Schulden
zurückzahlen, das ist schier unmöglich!"
Auch
derlei Ausflüchte sind im höchsten Maße
unseriös. Denn bereits jetzt heißt es doch, Griechenland
hätte bei der Haushaltssanierung große Fortschritte
gemacht, es würden bereits Überschüsse erzielt (wenn
man Zinszahlungen und Tilgungen nicht
berücksichtigt).
Wenn es also schon Erfolge gibt, obwohl die meisten wichtigen Reformen noch gar nicht greifen bzw. noch nicht angegangen wurden, dann kann es doch eigentlich nur besser werden!
Wenn erst einmal alle Steuern ordnungsgemäß eingezogen werden, wenn Immobilien in einem Kataster erfasst sind, der Abbau der Bürokratie, Korruption und Behördenwillkür die Neugründung von Firmen ermöglicht oder erheblich beschleunigt und die Wirtschaft einen freien Wettbewerb akzeptiert, dann müssten sich auch die Staatseinnahmen deutlich mehren und die Massenarbeitslosigkeit abgebaut werden können.
Warum also nicht erst einmal abwarten und schauen, was die Reformen bringen? Wenn sich dann herausstellt, dass es immer noch nicht reicht, wird die EU-Gemeinschaft Griechenland sicher nicht hängen lassen.
PS: Japan plagt sich seit Jahren mit einer deutlich höheren Schuldenquote als Griechenland. Aber ein Schuldenschnitt steht dort nicht zur Diskussion. Niemand käme in Japan auf die Idee, sich auf diese billige Tour der eingegangen Zahlungsverpflichtungen zu entledigen oder sich von anderen Völkern aushalten zu lassen.
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notwendige Reformen. Es dankt Ihnen Manfred J. Müller
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Impressum
© Dieser Text ist die Zusammenfassung einer Studie des
Wirtschaftsanalysten und Publizisten Manfred J. Müller aus
Flensburg.
Erstveröffentlichung
Februar 2015.
Falls Sie etwas Anstößiges oder Unwahres im obigen Text
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Denn ich möchte unbedingt, dass alle meine Texte neutral, sauber
und korrekt sind.
Manfred
Julius Müller analysiert und kritisiert seit 40 Jahren
weltwirtschaftliche Abläufe. Er ist Autor verschiedener
Bücher zu den Themenkomplexen Globalisierung, Kapitalismus und
Politik. Manche
Texte von Manfred J. Müller fanden auch Einzug in
Schulbücher oder werden zur Lehrerausbildung herangezogen.
Die
Texte & Bücher von Manfred J. Müller sind
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Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
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Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
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Bücher
von Manfred J. Müller
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eine Demokratie zu schwach, den Bürgern reinen Wein
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Eine
staatliche, gehirnwäscheartige Dauerpropaganda wird immer wieder
eingesetzt, um konzernfreundliche, radikale Ideologien durchzusetzen
(z. B. die Zollächtung = Inthronisierung des globalen
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Einführung einer Kerosinsteuer, Verdoppelung der Lkw-Maut,
Aufgabe des gescheiterten Schengener Null-Grenzen-Experiments etc.),
meint man, die Bevölkerung nicht mitnehmen zu können. Denn
das könnte ja Wählerstimmen kosten.